Bruchlinien Sammlung medart - atelierwerkstatt

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Bruchlinien Sammlung medart

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Bruchlinien
Dr. Stephan Koch, Orthopäde und Künstler

Die Verwendung von Alltagsobjekten hat in der europäischen Kunst spätestens seit dem Surrealismus ihren festen Platz. Ob als Objets trouves oder Ready-mades, ihre Präsenz in künstlerischen Kontexten stößt schon lange niemanden mehr vor den Kopf. Denkanstöße jedoch liefert sie noch immer. Die Herausnahme eines Gegenstandes aus seinem alltäglichen Zusammenhang und seine Rekontextualisierung in einem Kunstwerk zwingen den Betrachter zum Nachdenken. Im Bereich der Literatur hat dies Gertrude Stein in unübertroffener Prägnanz zum Ausdruck gebracht: „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.“ Mag der Satz auch auf den ersten Blick noch so affirmativ klingen, letztlich zeigt er, was auch immer die Blume des Gedichts in Wirklichkeit sein mag, einfach nur eine Rose jedenfalls ist sie nicht.
Aber lässt sich dasselbe auch von industriell gefertigten Objekten behaupten? Eine Rose ist vielleicht keine Rose, wird der Techniker einwenden — aber eine Hüftgelenksprothese bleibt doch eine Hüftgelenksprothese. Der Kölner Künstler Steph, autodidaktisches Multitalent und im bürgerlichen Leben als Orthopäde Dr. Stephan Koch seinen Lebensunterhalt bestreitend, zeigt mit seinen Skulpturen, dass es so einfach nicht ist.
Primum nil nocere lautet der Titel einer Plastik, die ihren Weg in die Sammlung med art gefunden hat. Das Besondere daran: Sie besteht aus Metallimplantaten, deren Träger mit ihnen verstorben und kremiert worden sind. Die Körper wurden zu Asche, die Implantate blieben. Jedes einzelne Teil der Skulptur steht für eine ganz persönliche Leidensgeschichte

Es erzählt von Unfällen, von Brüchen, von Wiederherstellung, vom Tod. Es führt die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz vor Augen und zeigt die Möglichkeiten — aber auch die Grenzen — der medizinischen Kunst auf. Auch dem Künstler selbst als dem ersten Betrachter seines Werkes. Den Arbeitstitel „ Karriereleiter“ verwarf er schon bald als zu zynisch. Die Tätigkeit, die seinen beruflichen Alltag bestimmt, ist eben mehr als bloss technische Fingerübungen. Es geht dabei stets auch um menschliche Schicksale. Die Plastik fordert Respekt vor den Patienten ein und führt immer wieder aufs Neue das erste Prinzip der ärztlichen Tätigkeit vor Augen: Das Wichtigste ist, keinen Schaden anzurichten.
Die Welt, in der wir leben, ist nicht heil, und sie ist nicht immer schön. Stephs Kunst trägt dem Rechnung. Das Glatte, Homogene, Harmonische interessiert ihn nicht. Er entwirft nicht die Utopie einer Welt, wie sie sein sollte, sondern zeigt die Welt so, wie er sie sieht. Immer, ob in Bodypainting- oder -glueing-Sessions, in monochromen Gemälden, Fotoarbeiten oder Hybridskulpturen aus chirurgischem Stahl und Holz, stechen dabei die Ecken und Kanten dieser Welt ins Auge. Die Widersprüche und Bruchlinien einer Realität, die sich der präzisen Benennung erfolgreich entzieht und im Unbestimmten, Unsagbaren, Undenkbaren verharrt.
Unübersehbar hinterlässt der Klinikalltag des Stephan Koch seine Spuren in der Kunst Stephs. Hier wird jene Spannung aufgebaut, die sich dann in den Kunstwerken entlädt. Umgekehrt aber liefert auch und gerade die künstlerische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit dem Orthopäden wichtige Impulse für die ärztliche Arbeit. Beim Orthopäden Stephan Koch endet die „ärztliche Kunst nicht am Ausgang der Klinik. Und der Künstler Steph macht am Eingang des Operationssaals nicht halt.

in: pronews 3/2003



 
 
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